Grenada – St.Martin

Corona hatte nun auch mich eingeholt – ich saß fest auf Grenada. Kein Flieger ging mehr rein oder raus, die Ausgangssperre hatte das normale Leben auf Standby gesetzt und die Karibik war plötzlich nicht mehr das, was sie mal war. Alles war viel zu ruhig, viel zu reguliert, viel zu angespannt. Man wurde nicht mehr angesprochen auf der Straße und wenn, dann nur mit 10m Abstand, nur die Busse waren weiterhin vollgequetscht mit Menschen. Ein einziges mal wagte ich mich in die Stadt, da ich Bargeld brauchte und wurde von den Locals angesehen wie eine Aussätzige, schließlich war ich die einzige Weiße weit und breit. Nichts war mehr übrig vom Easy Live der Karibik.

Mein ursprünglicher Plan, mich drei Wochen lang von den letzten Monaten, mit Chartergästen, in einem kleinen Airbnb Zimmer am Meer, zu erholen, fühlte sich plötzlich wie Gefangenschaft an. Es ist eben ein riesen Unterschied, irgendwo sein zu dürfen oder eben zu müssen! Da kam mir die Gelegenheit, uns in der Welt ein Gehör zu verschaffen, gerade Recht. Denn viele Segler waren nun dazu verdammt, Woche für Woche in ein und der selben Bucht zu verbringen, statt wie eigentlich üblich in der Karibik, herumzubummeln. Die Community wuchs enger zusammen, wir nahmen, nicht nur durch meine Petition, untereinander Kontakt auf und informierten uns gegenseitig, was wo, wie möglich war. Auch erhielt ich etliche Anfragen von Zeitungen, wie dem Floatmagazin und dem Spiegel über die derzeitige Situation. Überall auf der Welt stand die Zeit still und Segler engagierten sich dafür, uns offene Häfen zu ermöglichen, denn die Hurricansaison nahte.

Auch der Skipper des neuen Katamarans war immer noch auf Martinique gefangen und so kam es, das er mich bat, die SIByER allein von Grenada zu ihm zu segeln. Sicher traute ich mir das zu, aber mit einem Schiff, dass ich so gar nicht kannte, gleich einen Überführungstörn zu starten, ganz allein, danach war mir so gar nicht zu Mute. Und so suchte ich mir, natürlich mit Erlaubnis des Eigners, eine kleine Crew zusammen, die mich auf den 190sm unterstützen sollte. Der Zufall spielte mir ein wirklich super nettes Pärchen zu, die just eine neue Yacht, eine totschicke Amel, auf Martinique kaufen wollten, aber nicht von Grenada wegkam. Auch ein Mädel, dass nach Europa mitsegeln wollte, meldete sich auf Carriacou. Und so übernahm ich das Boot vom Alteigner in St. Georges und sammelte alle nacheinander ein. Wir starteten am 30.März und hatten wirklich Glück mit dem Wind, der uns aus SE nach Martinique schob. Für mich war es der erste Überführungstörn als eigenverantwortliche Skipperin, aber ich kannte die Strecke ja und Katamarane bin ich ja nun auch schon einige gefahren. Aber ich hatte Glück, alles lief gut und da wir eher zu wenig als zu viel Wind hatten, kamen wir nach 2 Tagen gegen Mittag in St. Anne an.

Uns wurde ja vorher prognostiziert, dass wir bei Ankunft auf Martinique sofort von der Coast Guard abgefangen werden würden und auch 14 Tage Quarantäne in kauf nehmen müssten, aber nichts davon traf ein. Ich warf den Anker in St. Anne zwischen die zahlreichen Boote und unser Mitsegler fuhr mit dem Dingi an Land und traf dort auch den neuen Eigner der SIByER, um ordnungsgemäß einzuklarieren. Ohne irgendwelche Reglementierungen ging das auch problemlos bei “Snack Boubou” von statten und so waren wir ganz offiziell in Europa angekommen. Geschafft! Smiley mit geöffnetem Mund Nachdem alle wieder an Bord waren, fuhren wir nach Le Marin hinein und ankerten dort in der Einfahrt zur Werft, unweit des sehr beliebten Supermarktes, der als einziger Karibikweit einen Dingisteg vorweisen konnte. Was freute ich mich auf den nächsten Einkauf dort, endlich wieder richtigen Käse, Croissants und guten Wein, eben all die Dinge, die Frankreich zu bieten hatte und die wir in den letzten Monaten so sehr entbehren mussten. Wieviel einfacher würde nun die Versorgung für die Atlantiküberquerung sein und wieviel abwechslungsreicher und vor allem preiswerter, auch wenn die Auswahl natürlich im Vergleich zu Italien immer noch bescheiden war.

Inzwischen trieb meine Petition die unglaublichsten Blüten. Sowohl Zeitungen, als auch Funk und Fernsehen berichteten immer reißerischer, verdrehten die Tatsachen und erfanden sogar Dinge hinzu. An vielen Berichten merkte man sofort, dass die Redakteure einfach keine Ahnung von unserer Problematik hatten, denn wir wollten weder von einer Militär FLOTTE begleitet werden, noch hatten wir Angst den Atlantik zu überqueren. Wir wollten lediglich Quarantäneregelungen, die es uns ermöglichten auf unserer Route gen Westen, Zwischenstopps einzulegen, um auszuruhen und Lebensmittel, Wasser und Diesel zu bunkern. Viele der Segler vor Ort hatten, genauso wie wir, gehofft, dass es wenigsten spezielle Flugmöglichkeiten geben würde, da entweder die Ehepartner in der Heimat festsaßen oder die Kinder nach Hause geschafft werden sollten, oder sie schlicht zu alt waren, um den Atlantiktörn allein zu meistern und Crew benötigten. Auch wurde, durch die geschlossenen Grenzen, die Route nun 3x so lang, denn zu diesem Zeitpunkt waren sowohl die Bermudas, als auch die Azoren noch dicht. Daher kam einer auf die Idee, doch mal bei einem in der Nähe stationierten Militärschiff anzufragen, ob es einen Konvoi der Segler begleiten können, um bei Bedarf mit fehlenden Materialien, Wasser oder Diesel auszuhelfen. Schließlich hatte es die selbe Route wie wir alle und genug Kapazitäten um das zu bewerkstelligen. Aber ein Kriegsschiff ist nun mal da um zu zerstören und nicht um zu helfen, deshalb wurde diese Anfrage natürlich abgelehnt. Die Meisten warteten nun auf Lockerung der Regelungen oder verschifften ihre Boote per Frachter, auch nicht wirklich die ökologischste Variante! Die Presse indessen, stellte uns als Minderheit mit Luxusproblemen dar, was unserem Anliegen nun mal so gar nicht weiterhalf.

Für uns begann das große Warten, denn wir hatten weder ein Satellitentelefon, noch ein Iridium und erst recht keine Crew. Die Grenzen waren zu, unsere eigentliche Crew durfte nicht einreisen, selbst die Post beförderte nichts mehr rein oder raus und das Mädel das eigentlich mit uns mitsegeln wollte, fand nun doch eine bezahlte Stelle auf einem Großsegler. Der Eigner kümmerte sich also um die Wartung des Bootes und ich mich via Facebook um eine neue Crew. Viele meldeten sich, denn eine Atlantiküberquerung ist ja immer heiß begehrt, zumal viele ja selbst festsaßen und zurück nach Europa wollten. Leider waren die meisten aber auf anderen Inseln verstreut und was bisher eine Leichtigkeit war, wurde nun schier unmöglich, denn auch wenn noch einige Inseln auf unserem Weg lagen, durften wir sie nicht anlaufen. Beinahe in letzter Minute, meldete sich dann ein Spanier, dessen Mitsegelgelegenheit nun doch nicht los wollte und der uns als absoluter Glücksfall erschien, denn er hatte sowohl ein Satellitentelefon als auch ein Iridium und unseres war immer noch nicht eingetroffen. Auch berichtete er von Segelerfahrung, war schon einmal von Ost nach West über den Atlantik gesegelt und hatte sogar ein eigenes Boot in Spanien. Zusätzlich meldete sich ein französisches Pärchen, das zwar keinerlei Segelerfahrung hatte, aber sehr sympathisch und hilfsbereit war. Sie hatten eigentlich eine Auszeit geplant und wollten die Welt erkunden, aber dank Corona saßen sie nun auch fest und waren froh zurück in die Heimat zu können. So gab es noch ein feuchtfröhliches Abschiedsgrillen mit unseren, inzwischen stolzen, Amelbesitzern und wir sagten goodbye zu Martinique.

Nun waren wir also zu fünft, worüber ich sehr froh war, denn nun konnten wir die Nachtwachen ganz entspannt einteilen. Die Stimmung war hervorragend, denn alle hatten nun das was sie wollten. Wir bunkerten noch ausreichend Diesel mit zusätzlich 10 Kanistern und Wasser, auch wenn wir einen Wassermacher an Bord hatten und natürlich für 3-4 Wochen ausreichend Lebensmittel. So starteten wir, mit nur zwei Wochen Verzögerung, am 20. April Richtung St. Martin. Und wieder wurden wir vorher gewarnt, dass wir nicht einreisen dürften und rechneten somit damit in einem Ritt durchfahren zu müssen, aber wir waren ja nun gut ausgestattet. Wir hatten wieder hervorragenden Wind aus E/SE und so rauschten wir mit 7-8kt durch Tag und Nacht. Schon auf der Überfahrt von Grenada hatten wir endlich mal wieder Delfinbesuch und auch auf dieser Tour begleiteten sie uns. Auch fingen wir gleich einen großen MahiMahi und zwei kleinere Thunas, die sowohl roh als Sushi, gegrillt, als auch gebraten ein hervorragendes Mahl waren. Nach 48 Stunden landeten wir dann auf St. Martin (franz.Teil) und niemand interessierte sich für uns. Weit und breit keine Coast Guard und so ankerten wir wie gewohnt, meldeten wir uns, wie angeraten, per Email beim Island Water World an und hörten am nächsten Morgen den örtlichen Funk ab. Man durfte also als Transit sowohl an der Tankstelle Diesel und Wasser tanken und selbst in den Supermarkt einkaufen gehen. Nach noch einer weiteren Nacht sollte es dann aber endlich weiter gehen, hinaus aufs Meer, über den Atlantik, nach Europa Vor Lachen auf dem Boden wälzen

Denn mein Entschluss so schnell wie möglich meine Berliner Wohnung zu verkaufen und mir ein Häuschen auf Sizilien zuzulegen, stand unumstößlich fest. Nun war ich also so weit gekommen, hatte die halbe Welt gesehen und spürte plötzlich Heimweh, obwohl es noch nicht einmal meine Heimat war. Aber das sollte sich nun ändern, ich hatte inzwischen so viele Ideen, die mir nun unter den Nägeln brannten und natürlich unglaubliche Sehnsucht nach dieser wunderbaren Insel, den Menschen, meinen Freunden und nicht zu vergessen, dem Essen, dem Wein und Gelati Herz Aber erst einmal war ich gespannt auf das nächste Abenteuer, meine zweite Überquerung des Atlantiks!



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