Eigentlich… oder wie aus 10 Tagen, 6 Wochen wurden. Also, eigentlich wollte ich ja Inselhopping durch die griechische Ägäis machen. Ziemlich schnell wurde mir aber klar, das es mir, bei dem Gedanken weiter in Griechenland zu bleiben, gar nicht gut ging. Zum einen gefielen mir die Inseln, die ich mit der Dwarslöper erkundet hatte, so gar nicht, wir hätten auch die gesamten vier Wochen um ein und die Selbe fahren können, es wäre nicht aufgefallen. Die Städte waren nett, aber die Kargheit und auch die spröden Buchten hatten mich so gar nicht angesprochen. Ich war ganz einfach anderes gewohnt, weiße Sandstrände mit türkisfarbenem Wasser, wie im Ionischen Meer, Mallorca, Ibiza oder Sardinien und saftig grüne Landschaft wie an der Code de´Azur, der Amalfiküste oder auf Sizilien. Zum anderen konnte ich es mir bei den derzeitigen griechischen Preisen gar nicht leisten, denn die Fähren sind unglaublich teuer und sowohl die Zimmerpreise als auch die Verpflegungskosten sind unverhältnismäßig hoch. Meine Facebook-Freunde haben es ja live mitbekommen und mich höchstwahrscheinlich für bekloppt erklärt, als alleinreisende Frau in der jetzigen politischen Lage in die Türkei zu reisen. Aber wenn man danach geht, dürfte man in gar kein Land mehr reisen, schon gar nicht nach Deutschland.
Ich hatte also gleich am ersten Tag in der Türkei beschlossen, vorerst nicht wieder nach Griechenland zurück zu kehren. Der Unterschied war so unbeschreiblich groß, diese Herzlichkeit der Menschen, die ganze Ausstrahlung und Gastfreundlichkeit, es hat mich einfach überwältigt. Oft merkt man erst, wenn man es wiederhat, wie sehr es einem fehlte. So erging es mir nach den grummeligen Griechen, die uns Deutschen die Schuld für ihre Misere geben und einfach nur unfreundlich und unnahbar sind, solange man sie nicht schon ewig kennt. Und so beschloss ich kurzerhand, mich beinahe 6 Wochen in türkischer Gastfreundlichkeit zu suhlen, die sich so vertraut nach meinem geliebten Sizilien anfühlte und beinahe nach zu Hause schmeckte. Ob es nun der Klang der Sprache, die Gerüche, die Mentalität, der Muezzin, die Shisha und so vieles mehr war, ich fühlte mich einfach rundherum wohl.
Gestartet bin ich also in Bodrum, einer kleinen quirligen Hafenstadt, die mich gleich beim verlassen der Fähre mit ihrem Labyrinthähnlichen Basar empfing. Er schlängelt sich quasi kreuz und quer durch die gesamte Stadt, so dass man irgendwann am Strand herauskommt und sich ein wunderbarer Blick in die Bucht von Bodrum eröffnet. Dort kann man bei Sonnenuntergang in den zahlreichen Bars und Restaurants essen, trinken oder Shisha rauchen. Der Hafen war übervoll von riesigen Güllets, diesen Hummelartigen Segelschiffen, die eigentlich gar nicht segeln können. Ich hatte über Airbnb ein Zimmer gebucht und fand mich in einer sehr zentral gelegenen, sehr sauberen, Pension wieder. Diese kleine Hafenstadt ist wirklich allerliebst und sehr zu empfehlen.
Danach ging es weiter nach Marmaris, einer touristisch sehr überlaufenen Hotelstadt, deren großer Charme, der Altstadthügel, genau neben der Marina liegt. Wiederum war mein Zimmer fast in unmittelbarer Umgebung der Altstadt, des Basars und natürlich des Meeres. Diesmal war ich privat untergebracht, in einem Dachgeschoßzimmer mit Terrasse und Blick über die Stadt. Dort wie auch in Bodrum war ich jeweils 5 Tage, die mir gut gefallen haben. Überrascht hat mich auch dort wieder, das man weniger Kopftücher sah, als in Berlin Kreuzberg. Die Frauen laufen mit Trägerkleidchen, sehr Figurbetont und modern durch die Straßen, mit Männern an ihrer Seite, deren Stolz man förmlich spürte. Dank der vielen, meist russischen, Touris hat man sich dort auf die Tättowierkunst spezialisiert und ich kam nicht umhin mir mein altes Tattoo durch 3D Kunst zu verschönern und durch ein/zwei Extras ergänzen zu lassen.
Weiter ging´s dann wieder mit dem Bus nach Denizli im Landesinneren, die drei Tage dort haben völlig gereicht, da ich als Europäerin schon sehr aufgefallen bin. Denizli ist eine sehr altbackene Stadt, in der ich das erste mal das Gefühl hatte, mir ein Tuch über die Schultern legen zu müssen. Auch wurden meine blonden Haare eingehend begutachtet, da dort wohl eher selten Touristen hinkommen. Aber ich war darauf ja eher vorbereiteter, als auf die Freizügigkeit in Bodrum und Marmaris, daher machte mir das wenig aus. Selbst ein sonst in der Schweiz lebender, gebürtiger Denizlier, den ich im Hotel traf, meinte dass Denizli nicht 20 sondern sogar 30 Jahre im Rückstand ist. Viel zu sehen gar es dort auch nicht, den einzigen Tipp den ich bekam, war außer Pamukkale das erst neu erbaute Shoppingcenter, das mich ja nun herzlich wenig interessierte, ich zog den Basar der Einheimischen vor. So verbrachte ich die zwei Tage dort, mehr oder weniger in meinem klimatisierten Hotelzimmer, mit großartigem Frühstücksbuffet für 10,-€ pro Nacht, bis zu meiner Weiterreise.
In Eskisehir angekommen, wurde ich, obwohl auch im Landesinneren gelegen, wieder genauso vom Gegenteil überrascht. Diese Stadt hat zwei Universitäten und ist somit eine Studentenstadt, die sehr fortschrittlich, voller quirligem Leben und natürlich unzähligen Studenten ist. Abgesehen von der wirklich malerischen Innenstadt, die durch die unzähligen kleinen bunten Brücken, über den durch die Stadt fließenden Fluss, an Amsterdam erinnert, sind die Straßen gesäumt von Cafés, Kneipen, Bars, Restaurants und Fastfoodketten. Nicht unerwähnt sollte auch die, auf einem Hügel liegende, Alte Stadt Eskisheir nähe des städtischen Friedhofs bleiben, die zahlreiche Museen beherbergt und einen zurück ins letzte Jahrhundert katapultiert. Natürlich wohnte ich bei einer Studentin, die ein freies WG Zimmer vermietete und die mich mit Muttis selbstgemachten Weinblättern verwöhnte und täglich mit auf Partys nehmen wollte. Ich lehnte bis auf die Weinblätter und ihren leckeren Tee, dankend ab
Als nächstes fuhr ich nach Istanbul, dieser unglaublich riiiiesigen Stadt. Nur als Vergleich – Berlin hat 3,5Mio Einwohner, Istanbul 18 – 20Mio. Berlin 890km², Istanbul 1500km² Man kann sich also vorstellen wie schwer es ist ein Zimmer zu bekommen und dennoch nahm mich eine ganz zauberhaftes Irakisches Flüchtlingsmädchen bei sich auf und ließ mich in ihrem Bett übernachten, um selbst im Wohnzimmer auf der Couch zu schlafen. Es wird zusammengerückt im Morgenland und nicht zurückgewiesen wie im Abendland. Ich verlebte also ganz wundervolle 10 Tage in dieser unglaublichen Stadt, die übersprudelt von Leben, neuen und alten Sehenswürdigkeiten. Ganz besonders wird mir eine Nachtfahrt auf einem Ausflugsschiff auf dem Bosphorus in Erinnerung bleiben, zu der wir von einer befreundeten saudischen Familie eingeladen wurden. Diese Musik, das Essen, die wunderschönen Frauen ins glänzenden Gewändern… ich war berauscht von dieser Nacht, danke Sana!
Überwältigend war auch hier wieder, diese unglaubliche Gastfreundschaft, angefangen beim eiskalten Getränk oder auch Tee, den man überall ohne gefragt zu werden vorgesetzt bekommt, darüber das man sofort angesprochen wird, ob man Hilfe benötigt, wenn man auch nur mal etwas suchend umher schaut, und auch oft sogar dorthin begleitet oder gar gefahren wird. Als Frau bekommt man ungefragt einen Platz in der Bahn angeboten, auch ist es mir nicht nur einmal passiert, dass sogar meine Fahrkosten übernommen wurden, weil ich kein passendes Geld für den Automaten in der Metro oder im Bus hatte. Auch überraschten mich immer wieder die Preise – ich zahlte nirgendwo für eine Übernachtung mehr als 10,-€, ein Tee kostet im Schnitt 1,50TL = 0,26€, eine Fahrt mit dem Bus ca. 400km 6,- bis 8,-€, ein Döner zwischen 5,- und 7,-TL = 1,- bis 1,50€ usw. Es lebt sich also nicht nur gut, sondern auch sehr günstig in der Türkei.
Nun hatten es die nächsten Städte natürlich schwer, diesen Glanz von Istanbuls zu toppen, aber auch mein nächster Stopp in der niedlichen Stadt Bursa hatte ihren ganz eigenen Zauber. Eine alte Festungsmauer umgibt die Altstadt auf dessen Hügel der alte Osman begraben ist und wieder kam ich um den Basar nicht herum. Dieses mal bekam ich für die 10,-€ gleich mal ein ganzes Appartement, so das ich es gut aushielt und nach 3 Tagen weiter über Land nach Izmir fuhr. Wobei die Landschaft der Türkei zeitweilig echt unbeschreiblich war. Saftige Täler werden unterbrochen von felsigen Kluften, Pinienwälder so weit das Auge reicht und natürlich irrsinnig tolle Küstenabschnitte. Mit den Bussen dort fährt man also bequem und sehr luxuriös und trotz dieser geringen Preise gibt es immer Getränke und kleine Knabbereien gratis. Dort wird Service also noch ganz groß geschrieben.
In Izmir hatte ich über Empfehlung meines Sohnes ein ganz besonderes Hostel gefunden, das www.Shantihome.org oder auch die Villa Kunterbunt. Abgesehen vom farbenfrohen Ambiente, sind auch die Gäste bunt und vielfältig. So lernte ich einen Musiker aus Chile kennen, der die türkische Musik erleben und lernen wollte, eine Iranerin, die auch gerade geflüchtet war, eine lustige Kamerunerin, die täglich stundenlang lautstark telefonierte und noch so viele andere Menschen aus unterschiedlichsten Ländern. Es fiel sehr schwer sich aus der Shantifamilie zu lösen und auf Stadterkundung zu gehen, aber da ich mich dort mit den Eltern meiner Schwiegertochter verabredet hatte, schauten wir uns gemeinsam den Kültürpark, die alte Stadt Smyrna und die lebhaften Gassen Izmirs an. Ganz bezaubernd ist auch die Küste rund um Izmir, die wir mit dem Auto erkundeten und an der uns Uygar vom Shantihome ganz romantische Buchten und Strandbars zeigte. In Gedanken planten wir dort eine Shantibeach zu eröffnen
Nach sieben Tagen ging es dann aber wieder weiter, über die alten Steine von Pergamon, nach Ayvalik. Meiner ganz persönlichen Lieblingsstadt in der Türkei. Dort könnte ich es mir tatsächlich vorstellen länger zu bleiben, zu genießen, einfach zu sein. Zauberhafte Gässchen mit, Handarbeitslädchen, Cafés, Kneipen, Bars in denen allabendlich musiziert wird. Direkt am Meer, mit einer vorgelagerten Insel, die mit dem Dolmus erreichbar ist und nicht weniger verzaubert. Zu alldem traf ich dort einen sehr liebenswerten Seglerfreund, den ich bisher nur von Facebook kannte und mit dem ich einen ganz wunderbaren Nachmittag verbrachte. Wenn es in Ayvalik ein Shantihome gäbe, mit meiner kleinen Irakerin Sana, ich würde den Winter dort verbringen. Aber, mich zieht es weiter…
Und so verabschiedete ich mich schweren Herzens, mit einem letzten Stopp in Canakkale, von meinem Sehnsuchtsland Türkei, um nach Griechenland zurück zu kehren. Auch wenn es mir diese Stadt auch wieder nicht leicht machte Abschied zu nehmen, denn die kleinen Gassen voller Leben und Geselligkeit werden mir echt fehlen. Es gibt so viele schöne Orte auf dieser Welt, doch auch wenn ich mich oft sehr wohl fühlte, war bisher noch keiner dabei wo alles passte und ich bleiben wollte. So muss ich weiter, nach Thessaloniki und Athen, da ich Mitte August noch einmal für 2 Wochen ab/an Korfu als Skipper gebucht wurde. Endlich wieder segeln und dann noch durch die saftig grüne Inselwelt und die türkisfarbenen Buchten des Ionischen Meeres. Auch ein schönes Ziel, wie ich finde