Atlantiküberquerung

Blau, überall blau, hellblau, dunkelblau, türkisblau, fifty shades of blau. Die meisten Menschen stellen sich eine Atlantiküberquerung super spannend und gefahrenreich vor, dabei ist das eigentlich spannende, das Zwischenmenschliche und nicht der Atlantik. Denn so ein Törn ist  tatsächlich eher langweilig, am ersten Tag werden die Segel auf den Passatwind eingestellt, der konstant zwischen 10 und 25 Knoten weht. Manchmal kommt er etwas nördlich dann wieder nordöstlich, so das man maximal zwischen ausgebaumtem Schmetterling und Raumschotkurs-Beseglung wechselt, bei Schwachwind kann man sich noch auf den Genaker einigen, aber das war´s dann schon. Ab und an wird man von einer Delfinschule besucht, wenn man Glück hat auch von Walen, in jedem Fall aber von fliegenden Fischen, die oft in Scharen auf dem Deck landen und den Weg nicht wieder ins Wasser finden. Die kleinen Scheißerchen stinken widerlich nach Fisch, so das man sie Nachts nicht nur hört sondern auch riecht. Sehr angenehm wieder, waren die langgezogenen Atlantikwellen, die von hinten auf das Boot zurollen, es anheben und unter ihm durchrollen. Kurz vor Ende schwammen dann immer größer werdende Teppiche von Algen an uns vorbei, die mittlerweile der Fluch der Karibik geworden sind. Tja, und mehr passiert nicht auf so einer Atlantiküberquerung und im Großen und ganzen war es eine angenehme Zeit. Auch das Boot, eine Ovni 455C von Alubat, war sehr gut in Schuss und es ist auch nichts gravierendes kaputt gegangen. Natürlich scheuerte sich mal die eine oder andere Schot durch, auch der Generator muckerte, zum Glück erst kurz vor der Ankunft und die Angelschnur verhedderte sich in der Leine vom Schleppgenerator. Doch das waren im Vergleich zu anderen, bisher erlebten Törns, eher kleinere Zwischenfälle und wurden vom Eigner recht unkompliziert gelöst.

Zum Glück habe ich immer genug zu lesen dabei und somit habe ich auf 2000 Seemeilen ganze 2000 Seiten vertilgt, Ken Follet musste herhalten, damit ich mit dem Schweizer Ehepaar, dass mich auf Sal aufgegabelt hatte und ihn auch gerade lasen, ein paar gemeinsame Gesprächsthemen hatte. Leider sprachen beide aber nicht sehr viel, jedenfalls nicht mit mir sondern eher miteinander auf schwitzer Deutsch, was aber dank Ken Follet nicht ganz so schlimm war. Da wir zu dritt waren, hatte jeder je 2 Stunden Einzelwache, so konnte jeder 4 Stunden schlafen und man hatte Zeit zum lesen, schlafen oder vor sich hinsinnieren. Klar hätte ich mir eine lustige, abwechslungsreiche Crew lieber gewünscht, mit der man Spiele spielen und tolle Gespräche führen kann. Aber man kann halt nicht alles haben und so beruhigte mich die Tatsache, dass so ziemlich alle anderen Schiffe die parallel gefahren sind, sogar Streß untereinander hatten. Denn nachdem ich von meiner Anlandeinsel Barbados nach St. Lucia geflogen war, dort wieder auf der Sea Change II eingecheckt hatte und wir gemeinsam an der ARC Abschiedsparty teilnahmen, kam ich in Kontakt mit so manchen Crewresten, die sich schon lange vor der Party aufgelöst hatten. Schade sowas Trauriges Smiley denn man sollte doch stolz auf das Geschaffte und glücklich über das Erlebte sein, ich bin es jedenfalls!

Was mich allerdings wirklich zum grübeln anregte und auch nachhaltig bewegt, ist dass ich erstmals etwas für Törns bezahlt habe und bei beiden malen einen ganz blöden Nachgeschmack habe. Vier Jahre lang bin ich bei Menschen mitgefahren, die sehr froh um meine Hilfe waren, die meine Arbeit anerkannten und sogar mehrmals darum baten, sie zu unterstützen. Ganz vorne dabei natürlich Markus von der Sea Change II, oder die liebe Lore und ihr Hubert von der Dwarslöper, nicht zu vergessen Axel von der VEGA, aber auch David damals von der Mary Fisher, Micha von der Sioned uva. haben mich gern und auch lange Zeit an Bord gehabt und keinen Cent dafür verlangt. Auch sehr bemerkenswert das mir Firmen ihre Charterboote anvertrauten, sogar Gäste durch die Gegend zu fahren um meine Reisekasse aufzufüllen. Das ich aber 1000,-€ oder 1500,-€ für einen Törn bezahle und jeder einzelne Tag abgezählt oder im nachhinein noch auf die Bordkasse aufgeschlagen wird, von mir sogar verlangt wird nur für 10,-€ extra mein Gepäck an Land zu transportieren oder mehrfach erwähnt wird, mir überhaupt mit dem Gepäck geholfen zu haben, ist echt befremdlich. Denn so etwas gehört doch wohl zum Service, auch mich wie einen Gast und nicht wie ein Hand-gegen-Koje Crewmitglied zu behandeln, setze ich voraus, wenn ich für einen Törn bezahle. Denn wenn man sich so ein Boot nicht leisten kann, sollte man es erst gar nicht kaufen und nicht erwarten, dass Fremde es einem finanzieren oder in Schuss halten und nicht mal annähernd das Wort Service kennen. Das wird mir jedenfalls nicht mehr so oft passieren, auch wenn es mir echt leid tut, für die die mich unterstützt haben und nicht das Geld bekommen haben.

Jetzt geht es aber erst einmal ganz entspannt weiter mit der Sea Change II, von Saint Lucia über Martinique, Dominica, Guadeloupe und zum Silvester feiern nach Antigua. Danach dann über St. Martin Richtung Cuba und die Bahamas, wo ich dann höchstwahrscheinlich das Schiff wechsel um die Hurrikansaison im Norden von Carolina Boot zu sitten. Aber jetzt genieße ich erst einmal die entspannte und spaßige Zeit mit Markus und seinen Gästen.

Kapverden

Anders habe ich sie mir vorgestellt, die Kapverden. Grüner und bevölkerter. Aber fast alle Inseln gleichen einer Mondlandschaft – Felsen, Krater, Einöde und einige sind sogar unbewohnt. Dafür gibt es endlos lange weiße oder auch schwarze Sandstrände, mit türkisem Wasser. Irgendwie sind die Farben einfach intensiver. Wenn man die geschichtliche Entwicklung verfolgt, sind die Kapverden erst ziemlich spät (1445) von den Portugiesen entdeckt und besiedelt worden. Diese haben sich dann Schwarzafrikaner als Sklaven hergeholt und genauso auch erst etwas grünes mitgebracht. Die Inseln San Antao und San Nicolao sind die Einzigen, die durch ihre Höhe etwas Feuchtigkeit von den Wolken abbekommen und oben im Gebirge auch saftig grün sind. Dort sieht es tatsächlich so aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Die unglaublich freundliche Bevölkerung ist zu 90% karamellig, da die Portugiesen 1975 endgültig vertrieben wurden und die Kapverden nun eine unabhängige Inselgruppe sind.

Leider haben sich die Touristen das Preis/Leistungsgefüge selbst zerstört, in dem über die Gebühr Trinkgelder gegeben wurden. Vor 10 Jahren wurde man wohl noch aus lauter Freundlichkeit von den Fischern an Land gebracht und den Familien vorgestellt, die dann für ein paar Euro ein Menü mit frischem Fisch servierten. Heute verlangen sie schon 2,- bis 4,-€ für diesen Service und man wird in ein Restaurant geführt, was man allerdings als Entwicklungshilfe verbuchen sollte. Auch kann es passieren, dass der Reservekanister im Dingi am Abend leer ist oder das Dingi am Strand plötzlich von Jungs bewacht wird, das eigentlich am Boot vor Anker befestigt war, angeblich hatte es sich losgerissen und so wollten sie doch glatt 10.000,-Escudos also 100,-€ Finderlohn haben. Man fühlt sich also schon als Geldbeschaffungsmaschine und ziemlich abgezockt, wenn man bedenkt dass der Monatslohn hier selten mehr als 500,-€ beträgt. Dafür ist die Kriminalität aber sehr gering, jedenfalls ist uns nichts zu Ohren gekommen.

Aber nun zu meinen Reiseplänen – ich bin ja mit der MARLIN als erstes auf Sal gelandet, dort haben wir einklariert und zwei Nächte verbracht. Das Örtchen Palmeira ist wirklich hübsch und touristisch noch nicht so überlaufen, wohingegen Santa Maria im Süden komplett aus Hotelburgen besteht. Dort blieben wir auch nur eine Nacht, da es sehr schwellig und ungemütlich war. Leider teilte mir dort der Eigner der MARLIN auch mit, dass der Reserveplatz für die Atlantiküberquerung, der für mich vorgesehen war, an ein vollzahlendes (4000,-€) Crewmitglied vergeben wurde. Aber es gibt offensichtlich keine Zufälle, denn noch in Sal lernte ich ein schweizer Pärchen kennen, dass mir dort schon erzählte, das ihnen eine Freundin die mit über den Atlantik fahren wollte, abgesprungen ist. Wir hatten unsere Nummern ausgetauscht und Kontakt gehalten und so bot ich nun an, den Platz der Freundin zu übernehmen, so dass die Beiden nicht zu zweit die vielen Meilen zurücklegen mussten. Auf Boa Vista trafen wir uns dann wieder und vereinbarten eine Probewoche ab Mindelo um zu schauen, wie es miteinander klappen könnte.

Und so suchte ich mir zwischenzeitlich eine Pension als Unterschlupf, denn selbst der Aufenthalt vor Anker auf der MARLIN ist nichts für Minimalisten, den muss man sich auch leisten können. Das sich das alles als sehr richtig herausstellte, war ein angenehmer Nebeneffekt, denn ich hatte mir Montezumas Rache eingefangen und konnte so in Ruhe vor mich hinleiden. Die MARLIN hingegen schaukelte in irrsinnigem Schwell vor sich hin und hätte mich wohl komplett ausgeknockt. Zum Glück ist auch Boa Vista nicht wirklich sehenswert, so dass ich nicht viel verpasste und am Ende der Woche dann einigermaßen erholt mit der MARLIN nach Mindelo übersetzen konnte. Dort wartete die Shiva schon auf mich, so dass ich nur die Schiffe zu wechseln brauchte und schon am nächsten Tag gleich weiter nach San Antao mitfahren konnte. Diese Insel ist tatsächlich eine Augenweide, im Hochgebirge grüne Berge und terrassenartige Felder so weit das Auge reicht, so auch in der Caldeira des ruhenden Vulkans der Insel. Es war ein wahrer hochgenuß für die Augen, endlich wieder grünes zu sehen und aufzutanken, denn für die nächsten Wochen wird es nur blau zu sehen geben.

Denn am Montag den 03.12.2018 geht es los über den großen Teich! Von Mindelo soll es nach Barbados in die Karibik gehen, 2100sm Wasser liegen vor uns. Geplant sind 14 Tage, bei gutem Wind eventuell auch nur 12 Tage, die wir uns nun in 2 Stunden Wachschichten einteilen, so kann jeder 2 x 4 Stunden schlafen. Natürlich hab ich Schiss Zwinkerndes Smiley aber ich freu mich auch auf diese Zeit, denn schon die letzten längeren Schläge fühlten sich nach mehr an. Wie es danach weitergeht? Ich werde wohl von Barbados nach St. Lucia fliegen, sofern ich keine Mitsegelgelegenheit finde und dort dann kurz vor Weihnachten wieder auf der Sea Change II einchecken. Denn dort bin ich ja nur beurlaubt worden und kann über Martinique, St. Martin mit nach Kuba und den Bahamas auf HgK Basis mitsegeln. Ob ich dann wieder zurück ins Mittelmeer fahre oder nach Norden/Süden/Westen vor der Hurrikanesaison fliehe, wird sich dann zeigen, erste Anfragen gibt es schon. Aber ich bleibe wie immer meinem Motto treu – erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!