Siri die Skipperin

FB_IMG_1495662678142„Denken sie an Kolumbus. Volles Risiko, totale Selbstüberschätzung. Wenn sie mit ihrem Leben unzufrieden sind, lassen sie es nicht an den anderen aus. Segeln sie einfach los.“
Harald Martenstein

Mit diesem Motto bin ich los – auf nach Sardinien und dieses mal nicht als Mitseglerin oder Coskipperin, sondern tatsächlich als eigenverantwortliche Skipperin. Ich wollte sehen wie es ist, mich ausprobieren und Grenzen austesten. Das Revier war mir nicht fremd, das Schiff auch nicht, denn 2015 bin ich ja schon einmal auf einer Bavaria 50 gesegelt.

FB_IMG_1495662586356Dieses mal hieß das Schiff ITA und gehört einem sehr netten, jung-gebliebenen Mitsiebziger, der ein unglaubliches Segel-Wissen hat, was auch nicht verwunderlich ist, da er früher Ausbilder war und schon viele Jahre seine Schiffe verchartert. Er weiß viel zu erzählen und gibt sein Wissen gerne weiter, ich habe in der ersten Woche, die er mich auf dem Probetörn begleitete unheimlich viel gelernt und auch einiges längst verschüttete wieder aufgefrischt. Auch weiß ich jetzt wie man ein Chartergeschäft richtig führt, wie man Gäste bewirtet hatte ich ja auf der VEGA schon gelernt, aber es gehört eben noch mehr dazu, wenn man möchte das sie auch wiederkommen.

Ein schönes Leben also, auf einem geräumigen Schiff, segelinteressierten Mitmenschen die Schönheit der Meere, Buchten und Städte Sardiniens ans Herz zu legen. Wohin die Segel einen tragen, ohne Hast und streßige Nachtfahrten. Eben Urlaubsfeeling, bezahlt, beneidenswert! So denken wohl viele…

Die ersten Tage stand ich dennoch ziemlich unter Strom und um ehrlich zu sein, hätte ich in der zweiten Woche am liebsten alles hingeschmissen. Ich war nicht darauf vorbereitet, das die Gäste tatsächlich NULL Ahnung vom segeln haben und sich eigentlich nur kutschieren lassen wollen ohne selbst etwas zu tun. Bei einem 50ft Schiff ist das aber mal so gar nicht möglich, da wird jede Hand benötigt und die Handgriffe müssen sitzen und schnell ausgeführt werden. Da aber am Anfang der Saison leider nicht so viele Menschen Urlaub machen, war das Schiff nur zu 20% belegt und wäre Chefe nicht anwesend gewesen, wäre ich jämmerlich gescheitert.

Screenshot_20170519-232918Die zweite Woche begann vielversprechender, ich hatte liebe Freunde, die zufällig Urlaub hatten, nicht lange überreden müssen, die Crew ein wenig aufzustocken. So waren wir wenigstens zu viert, davon ein SBF Binnen, ein SBF See Besitzer und einer war schon auf einem Törn im Kattegat unterwegs gewesen. Und dennoch war fast alles weg was sie mal gelernt hatten und ich musste jeden Handgriff neu erklären, zu lange her war alles schon. Nachdem mich nun der Chef alleine losgelassen hatte, kam es wie es kommen musste…

Wir hatten einen wirklich schönen Segeltag hinter uns und wollten gerade in eine Ankerbucht im Maddalena Archipel einbiegen, als plötzlich die Steuerung blockierte. Ich konnte das Steuerrad nicht mehr nach Steuerbord drehen, so das sich die ITA unkontrolliert nach Backbord im Kreis drehte, die Felsen kamen unaufhaltsam näher – Legerwall 😱 Mein erster Gedanke galt dem Autopilot, aber weder der, noch das manuell feststellbare Steuerrad waren dafür verantwortlich. Screenshot_20170516-090946_1Mir fiel eine ähnliche Situation ein, die ich erst vor kurzem auf der VEGA erlebt hatte – die Muring hatte sich, beim verlassen des Hafens, in der Schraube verfangen und der Skipper gab augenblicklich die Anweisung den Anker fallen zu lassen, um nicht andere Boote zu beschädigen. In sekundenbruchteilen lief dieser Film vor meinem inneren Auge ab, ein Crewmitglied erzählte mir später, dass ich am Steuer saß, den Kopf sinken ließ und sofort nach vorne rief- „Anker runter! Sofort! Alles raus!“ Zum Glück war alles schon vorbereitet, da wir ja ankern wollten. Das Crewmitglied das die Fernbedienung in der Hand hatte reagierte auch sofort, stoppte aber plötzlich und rief artig wie er es gelernt hatte- „10 Meter“. Ich wiederholte noch einmal nun etwas lauter- „Raus ALLES!!!“ Schließlich hatten wir nur 45m Kette und das bei 25m Tiefe. Es dauerte auch nicht lange und das Schiff hörte auf in Richtung Felsen zu treiben und stoppte auf ca. 40m Entfernung, drehte sich aber immer noch um die eigene Achse. Per Funk rief ich nun die Marina, die nicht weit entfernt war, um Hilfe an. 20170515_182811Währenddessen kam aber schon ein grosses Motorboot vorbei, reagierte auf unser wildes winken und nahm uns nach mehreren Anläufen in Schlepp. Schließlich wusste ich nicht wie lange der Anker bei dieser Tiefe halten würde und die Marina meldete sich nicht zurück. Dabei versuchten wir mit der Notpinne wenigstens etwas in der Spur zu bleiben, was aber nur bedingt gelang. Nachdem wir schon ein gutes Stück gekommen waren, schoss endlich das Dingi mit den Marineros auf uns zu. Welch fataler Fehler es war denen nun die Leine zu übergeben, erfuhr ich erst als sie uns längsseits in die Marina geschleppt hatten. Denn ich hatte in dem ganzen Chaos vergessen den Funkkanal auf 16 zu wechseln und so kam uns nicht unsere Stamm-Marina zu Hilfe, sondern die Konkurrenz von nebenan, die ausgerechnet Kanal 9 hatte. 20170515_181121Eigentlich nicht weiter schlimm, aber dadurch hatte uns die Guardia di Costiera zu spät gehört, die hätten uns gratis abgeschleppt, nun konnten die Marineros aber einen Preis aufrufen der Utopisch war- 8000,-€ in Worten ACHTTAUSEND EURO wollten diese Verbrecher doch tatsächlich als Gegenleistung für ihre Hilfe haben! Zum Glück war mein Chef inzwischen mit dem Auto eingetroffen und kannte die Bande schon, so konnte er mit einigem Verhandlungsgeschick die Summe auf 1500,-€ herunterdrücken. Am nächsten Morgen musste ich bei der Guardia di Costiera nur noch ein Protokoll schreiben und versichern dass der Fehler umgehend repariert werden würde.

P_20170519_131544_2Mein Chef machte sich auch sofort auf die Suche, zum Glück bestätigte sich seine Vermutung nicht, dass die Steuerkette gerissen sei. Doch war die komplette Steuereinheit lose, durch die Vibration des Motors hatten sich mit der Zeit alle Schrauben gelöst und so war die Kette Stück für Stück bis zum Spanner weitergesprungen und dann eben blockiert. Jetzt erklärte sich mir auch der Ruck der am Morgen beim losfahren durch das Schiff gegangen war, den ich mir aber nicht erklären konnte- die Backbordkette war komplett heruntergesprungen, das merkte ich aber während der Fahrt nicht, da ich auf Steuerbord steuerte.

Wir waren also mit dem blauen Auge davon gekommen, aber der Crew steckte noch immer der Schreck in den Knochen, ihr Vertrauen in die Technik war zerrüttet. Nun war es an Chefe und mir ihnen die Sicherheit wiederzugeben und letztendlich bewirkte Chefes Entgegenkommen, als Techniker mit nach Bonfacio zu fahren und mein Spruch- „wenn man mit dem Auto einen Unfall baut, sollte man auch so schnell wie möglich wieder ins Auto steigen“, dass sie einwilligten weiterzufahren. Es wurde auch noch ein sehr schöner Törn und ganz sicher werden die Jungs noch Jahre später davon erzählen.

Allerdings war ich nun nicht mehr sicher ob ich tatsächlich weiter machen sollte. Wollte ich tatsächlich weiterhin die Verantwortung für andere Menschen und dieses Schiff übernehmen? Und würde mir der Spass am segeln nicht vergehen, jede Woche bei Null anzufangen und wenn endlich alles lief, die Crew wieder gehen lassen zu müssen?

IMG-20170525-WA0001Nun war es wieder an Chefe, der mir noch einmal bestätigte alles richtig gemacht zu haben und sein Angebot tatsächlich bis September zu verlängern, wenn ich das möchte, bauchpinselte mich natürlich sehr. Aber erst mein eigener Spruch- „wenn man mit dem Auto einen Unfall baut, sollte man auch so schnell wie möglich wieder ins Auto steigen“, ließ mich die Zähne zusammenbeißen und weiter machen. Auch sehe ich es inzwischen als Herausforderung und auch als Bestätigung, wenn blutige Segelanfänger am Ende der Woche tatsächlich selbstständig das Schiff segeln können. Und natürlich ist es ein Traum hier in dieser wundervollen Umgebung aufs geradewohl herum zu segeln und andere Menschen für diese Schönheit und den Spaß am segeln zu begeistern. Allerdings werde ich nur bis Juli hier auf Sardinien bleiben und danach für eine Firma skippern, die Mittelmeerweit Törns anbietet, ich möchte doch noch ganz viel von der Welt sehen 😄 Dann geht es wieder nach Mallorca, danach Süditalien, Kroatien und zum Ende des Jahres endlich nach Griechenland.


Mallorca

18198769_1489090924445567_6996472964246753157_nNun lebe ich also auf Mallorca. Es ist tatsächlich eigenartig wieder vier feste Wände um mich herum zu haben. Es schaukelt nichts, man hat viel Platz, kann duschen wann man will und Wäsche waschen so oft man möchte. Aber es fühlt sich unwirklich an. Ich bin natürlich sehr froh hier bei einem Bekannten unter gekommen zu sein, hab ein Zimmer, einen Schrank, kann meine Sachen hier deponieren und hab ein Bett in dem ich schlafen kann. Die Wohnung ist relativ zentral gelegen, der Mercadona direkt um die Ecke und die Altstadt fußläufig zu erreichen. Und seit neustem gibt es auch eine liebe Mitbewohnerin, mit der ich mich wirklich gut verstehe. Ich könnte hier tatsächlich bleiben, aber…

18010842_1470438919644101_4370807291919148890_nMein Sohn hat mich besucht und wir haben die letzten Tage die Gelegenheit genutzt um uns die Insel anzuschauen. Was für ein wunderschönes Fleckchen Erde. Mittlerweile verstehe ich, dass so viele Deutsche sich hier wohl fühlen. Das Klima ist warm, die Bäume ganzjährig grün, das Wasser blau. Ich mag es sehr hier. Wir sind über Landstraße mit dem Auto nach Sant Elm und haben, bei einem Eis, hinüber zur Isla Dragonera geschaut. Sind mit der alten Holzeisenbahn nach Soller, von dort zu Fuß nach Port de Soller gelaufen und haben uns dort ein leckres Stück Kuchen gegönnt. 18221540_1489104537777539_5478279391021295433_nWieder über Land gings an einem anderen Tag nach Cala d´Or und in den Naturpark Mondrago, zu wunderschönen Buchten die ich vor zwei Jahren schon einmal vom Wasser aus gesehen habe. Mein Sohn ist an einem Tag mit dem Rad, mit einem Fahrrad-Guide über die Insel gefahren. Wir waren am Strand, haben die Füße in den Sand gesteckt und er war sogar baden. Wir haben uns den Balermann in El Arenal angeschaut, der viel harmloser ist, als vorgestellt. Natürlich habe ich den Cementerio nicht ausgelassen, der aber leider nicht so beeindruckend war wie die italienischen Cimiteros. Und wir haben auf dem Castell de Belver erlebt wie die Katalanen ihre Menschentürme bauen und zu fadoähnlicher Musik tanzen. Ich bin ganz sicher das ich auf dieser schönen Insel noch ganz viel entdecken und erleben kann, aber…

18222683_1489090791112247_4665339001570590726_nDie Altstadt von Palma hat es mir natürlich besonders angetan. Man kann stundenlang hindurchstreifen, sich auf kleinen Plätzen niederlassen, dargebotener Musik lauschen, Sangria oder Tinto Verano trinken und Tapas essen. Ich bin zwar so gar keine Shoppingqueen, aber selbst das macht mir hier Spaß, auch wenn ich mir ja aus Platzgründen nichts kaufen kann. Aber es schlendert sich so schön durch die Gassen, die vielen kleinen Geschäfte bieten teilweise so liebevolle Dinge an, so dass man sich gern die Nase plattdrückt. Ein Highlight war natürlich die “Palma Super Yacht Show”, wo Schiffe anzusehen waren, die eigentlich verboten werden sollten, bei so viel Armut auf der Welt. Zum Glück ist der Hafen offen und man kann auch sonst Boote gucken gehen, auch wenn dort mehr Charteryachten als Langfahrer liegen. Es gibt also immer wieder was zu sehen und sei es mal wieder ein Fest, denn die Spanier wissen wie man feiert, aber…

DSC_1104…ich bin ja losgezogen, die Welt unter Segeln zu entdecken. Ich habe mich ja nun nach Charterfirmen umgesehen und diverse Erkundigungen eingeholt, welche Qualifikationen ich benötige. Es kursieren da die unterschiedlichsten Varianten, die Einen wollen den SKS (SportKüstenSchifferschein) die Anderen sogar den SSS (SportSeeSchifferschein) und wieder Anderen genügen ausreichend Meilen und vor allem Erfahrung um mit dem SBF See (Sportbootführerschein) eine Yacht zu führen. Natürlich benötigt man eine Skipperhaftpflicht und auch gibt es Crewverträge, Kaskoversicherungen fürs Boot und die Unfallhaftpflicht. Wichtig ist in jedem Fall, ob man es sich zutrauen würde ein Schiff selbstständig zu führen und die Verantwortung für andere zu übernehmen. DSC_1461Ich möchte genau das herausfinden und werde deshalb am Samstag nach Sardinien fliegen Smiley dort erst einmal eine Woche unter Anleitung mit Skippertraining und danach zwei Wochen selbstständig eine Yacht, zwischen Sardinien und Korsika, führen. Es wird eine ganz neue und sicher sehr spannende Erfahrung werden. Und so passiert in diesem Jahr schon das dritte Highlight – ich sehe Bonifacio wieder, diese wunderschöne Stadt auf Korsika. Sollte meine Qualifizierung nicht ausreichen oder ich mich nicht sicher genug fühlen, kann ich ja jederzeit noch den SKS oder auch SSS nachholen. Für den Fall das es gut geht und sich für mich richtig anfühlt, werde ich dann diesen Sommer damit verbringen im Mittelmeer herumzujetten und Charteryachten spazieren fahren.

Ansonsten gibt´s natürlich wieder einen Plan B und C, denn ich habe hier auf dieser wundervollen Insel ein Bett und einen Schrank oder könnte auch wahlweise immer noch nach Griechenland fliegen, wo der eine oder andere Skipper eine Gästekoje für mich frei hätte Zwinkerndes Smiley