Bloß nicht über Haie sprechen

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Warum nicht mal Urlaub auf einer Yacht machen? Unser Knigge bietet Orientierung

 

Was ist das passende Gastgeschenk? Statt Blumen: Konzentrierter, sorgfältig ausgesuchter Alkohol: auf allen Weltmeeren wird getrunken, aber Sie möchten keine Bierkiste an Bord schleppen. Ein Rum aus dem Geburtsjahr des Yachtbesitzers ist interessanter als die x-te Flasche Zero Dosage Champagner. Schöne Leinenservietten von Porthault, mit dezentem Monogramm des Gastgebers. Schlüsselanhänger mit eingraviertem Namen des Bootes. Was dagegen wirklich nicht geht: nautische Gastgeschenke wie Flaschenpost mit Sand oder Rettungsring als Aschenbecher.

Was muss in die persönliche Reiseapotheke? Sie werden unterwegs keinen Nachschub kaufen können, also umsichtiger packen als sonst: Sonnenschutz (so stark es geht), Zigaretten, Kondome, Peroxide zum Desinfizieren, Tonopan (das einzig wirksame Mittel gegen Migräne, gibt es nur in der Schweiz). Gegen Seeübelkeit hilft das „Seaband“ aus Frottee für die Handgelenke. Durch einen Druckknopf wird der Punkt stimuliert, der den Gleichgewichtssinn regelt. Bei einem Quallenbiss das Gift mit einer Kreditkarte rausschaben, danach mit Essig, Wein oder Urin behandeln.

Was ziehe ich bloß an? Es empfiehlt sich, vor Reiseantritt die Farbgebung des Bootes zu erfragen. Ein Hamburger Yachtbesitzer wünscht sich von seinen Gästen, dass ihre Garderobe mit der Farbe seiner Deckpolster und des Meeres korrespondiert. Alles, was nicht blau ist, stört sein ästhetisches Empfinden. Und er meint es ernst. Als die eigene Tochter im bojenroten T-Shirt aufkreuzte, schickte er sie heim. Schuhe sind wirklich nur für Landgänge nötig, und da reicht ein Paar. Noch wichtiger als sonst: gepflegte Füße! Sonnenbrillen, Sonnenhüte in allen Variationen. Außerdem empfehlenswert: Üppige Auswahl an Bade- und Badeliegenklamotten (auch der Deckchair ist ein Laufsteg), ein Dinnerkleid (einfacher als ein Ballkleid, aufwendiger als ein Sommerfummel), auf jeden Fall was Warmes. Sportschuhe fürs Gym und auf Oligarchenyachten für das Joggen an Deck. Basketballschuhe nur für die „Octopus“ von Paul Allen.

Was darf man auf keinen Fall tun? 1. „Spontan“ ins Meer springen. Sie wissen nie, was Sie dort erwartet. 2. Anderen Schiffen zuwinken. 3. Füße einölen! Wer dabei erwischt wird, wird nie wieder eingeladen. Es ist wirklich die schlimmste Sünde, wenn man überall Fettspuren auf dem Holz hinterlässt. Der wohlerzogene Gast hat immer eine Dose K2R in seiner Strandtasche, dass sprayed alles weg, was fettig ist: Von der Gabel gefallene Dorade, verwehte Salatblätter, Sonnencreme.

Wie geht gute Konversation an Bord? Nicht über Haie sprechen. Keine Yachtbesitzer mit noch größeren Schiffen loben. Wenn Sie nicht unter sehr vertrauten Menschen sind: In Badekleidung nicht zu ausführlich über Sex, Figurprobleme oder ansteckende Krankheiten sprechen (Assoziationsekel!). Wie immer gilt: Die anderen Gäste vorher googeln.

Was trage ich zum Abendessen? Bikini oder Badehose reichen definitiv nicht aus. Nasse Haare dagegen sind okay. Wirklich albern ist ein halb geglückter „Yacht-Style“ mit über dem Bauchnabel geknoteten Hemd und Piratenjeans. Ein Hochseetrip ist kein Oktoberfest. Achten Sie als Frau unbedingt auf makellose Unterwäsche, denn vor allem eine Segelyacht gerät schon mal in Schieflage. Und vermeiden Sie Accessoires, die von Bord fliegen können. Nichts nervt mehr, als für einen weggeflatterten Pareo noch mal umdrehen zu müssen.

Wie verbringe ich die langen Tage an Bord? Wenn Sie Glück haben, holt der Gastgeber seine Toys raus: Jetski, Dingi, etc. Für Müßiggänger ist das Filetstück der Platz auf dem Vorderdeck. Hier gibt es immer eine leichte Brise, hier lässt es sich wunderbar mit karibischer Playlist auf dem iPod dösen. Wenn man Sie lässt! Meist gesellt sich schon bald die Gattin des Bootsbesitzers dazu und ergeht sich in der prallen Sonne über Kinder, Yoga, Therapeuten. Irgendwann heißt es: Oh, schon wieder ein Tag rum. Und wir haben wieder nur über mich geredet …

Wie mache ich mich als Gast unbeliebt? Extrawürste. Sich eben mal schnell einen Kaffee machen, den Landgang schwänzen, beim Rosé-Besäufnis Wasser trinken, zur Abwechslung ein einfaches Abendessen vorschlagen – das ist hier nicht gefragt. Yachturlaube sind Gruppenerlebnisse. Und das Programm bestimmt der Gastgeber. Aufgepasst bei Spaß in der Kajüte: Auf größeren Schiffen sind diese oft videoüberwacht.

Und wie mache ich mich beliebt? Wenn Sie ein wirklich guter Gast sind, schwimmen Sie am Nachmittag mal langsam ums Boot und befreien den Rumpf von lästigen Algen. Mit einer weichen Bürste, die Sie selbst mitgebracht haben.

Was mache ich, wenn die Yacht auf hoher See ist und plötzlich ein Termin drängt, bei dem es um sehr viel Geld, die Familie oder einfach nur eine noch bessere Party geht? Schiffe verbrauchen wahnsinnig viel Benzin, nicht immer ist im nächsten Hafen was frei. Lassen Sie sich am besten vom Helikopter abholen. Das ist günstiger, als man denkt, und sorgt für Aufsehen.

Wie lange darf ich bleiben? Nur wenige kommen in den Genuss eines Yachturlaubs, wie Truman Capote ihn im kürzlich wieder aufgetauchten Kapitel „Yachts and Things“ seines Nichtromans „Erhörte Gebete“ beschrieben hat. Der Besitzer, im wahren Leben mutmaßlich Gianni Agnelli, überließ dem Autor und einer Freundin (im wahren Leben angeblich die Herausgeberin der „Washington Post“ Katherine Graham) das Schiff, weil er selbst wichtigen Geschäften nachgehen musste. Die beiden kreuzten durch die Ägäis. Sie besichtigte in der glühenden Hitze Tempelanlagen, er blieb trinkend an Bord. Leider sind solche Arrangements die Ausnahme. In der Regel wird vorher vereinbart, wer wo an und von Bord geht. Versuchen Sie nicht ungefragt, ein paar Tage „dranzuhängen“. In der Regel ist Ihre Kabine schon anderweitig vergeben.

Lohnt sich die Mühe überhaupt? Yachten sind eines der weltweit anerkannten Statussymbole. Insofern empfiehlt es sich dringend, eine zu erwerben. Sie sollten sich allerdings darüber im Klaren sein: Zu den größten Fischen werden Sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gehören. Und Yachtbesitzer haben es so an sich, die Bruttoregistertonnen ihres kleinen Lieblings bei jeder Gelegenheit schiffshornartig herauszutrompeten. Wenn Sie damit leben können: sehr gut. Es gilt die Grundregel: Ein Schiff ist immer kleiner, als man denkt. Laden Sie Menschen, die Sie brauchen, aber nicht besonders gern mögen, nur für zeitlich klar begrenzte Anlässe an Bord (etwa Sundowner von 18 bis 23 Uhr, danach werden alle zurückgeshuttelt). Das Gleiche gilt für Yachtbesucher: entweder kurz oder bei echten Freunden. Und was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Seefesten Menschen werden die Sonnenauf- und -untergänge, der Wind, die herumtollenden Delfine ein unvergessliches Erlebnis sein. Wer an Seekrankheit leidet, hat auf einer Yacht nichts verloren. Wer 24 Stunden am Tag die Zähne zusammenbeißen muss, kann niemals ein guter Gast sein.