Erster Anlauf Atlantik

Ich habe einen Traum – ich möchte gern meinen 50. Geburtstag in der Karibik feiern. Dazu muss ich aber auch dort irgendwie hinkommen. Das ich nicht fliegen werde, sollte jedem meiner Freunde und Leser klar sein, deshalb schau ich mich ja nun schon seit längerem nach einer Mitsegelgelegenheit um. Plan A – B – C sind am laufen, wichtig für mich ist mit jemandem zu segeln, den ich vorher schon kennengelernt habe. Ob ich nun HgK oder gegen einen Unkostenbeitrag oder gar gegen Bezahlung dort hinüber komme, ist für mich tatsächlich zweitrangig. Ich muss mich wohlfühlen, denn 3 Wochen non stop 24/7 auf engstem Raum mit Menschen zu verbringen, bei denen die Chemie nicht stimmt, ist gedanklich schon ein Graus. Aber ich bin mir sicher, dass ich in den nächsten 2 Monaten jemanden finden werde, der mich gerne mitnimmt und meine Arbeit, mein Wissen und meine Erfahrung zu schätzen weiß.

Mein erster Anlauf ist tatsächlich schon nach 5 Tagen gescheitert. Im Vorfeld wurde rege telefoniert und geschrieben, das Boot eine Moody 45 DS schien sehr komfortabel und mit noch nicht einmal 10 Jahren gut in Schuss. Der Eigner, auch ein Ossi, aus Potsdam hatte schon mal den selben Humor, genügend Seemeilen und mit einer schon erlebten Atlantiküberquerung auch scheinbar genug Erfahrung. Ich reiste also von Korfu 36 Stunden mit Fähre, Bus und Taxi nach Neapel. Meine Reisekasse wurde mit 130,-€ gut gebeutelt, ganz zu schweigen von meinen Nerven durch entstandenen Schlafmangel Zwinkerndes Smiley In Neapel angekommen, wollte man mich erst einmal nicht auf das Tankstellengelände lassen und das obwohl die Tankrechnung nicht gerade gering war. Erst nach guter Zurede und viel italienischem Palaver, war es dann möglich an Bord zu gehen. Die ersten Tage waren sehr schön und erholsam, wir fuhren zu viert über die kleinen Inseln Procida und Ventotone nach Ponza, verbrachten die Abende in kleinen Restaurants mit Livemusik und leckerem italienischen Wein. Tagsüber konnten wir hervorragend segeln, obwohl der hohe Decksaufbau der Moody schon sehr gewöhnungsbedürftig war, denn man konnte weder die Segelstellung sehen, noch den Ankerman am Bug, es war also eher ein erahnen. Auch war die viele Elektronik neu für mich, automatische Winschen und selbst der Anlasser/ die Steuerung war elektronisch, so das man den einmal ausgegangenen Motor nicht so einfach wieder starten konnte. Jedes Boot ist eben anders und nach drei Tagen an Bord, hatte man die ersten Fauxpas wie eingeklemmte Schotenden in den Winschen hinter sich. Auch hatte ich mein erstes Gewitter auf See unbeschadet überstanden.

Nach einem kleinen Zwischenstopp in Anzio sollte es dann 36 Stunden hinüber nach Olbia gehen, um dort die nächsten 4 Gäste abzuholen, auch wenn das Schiff dann mit 7 Personen überbelegt sein würde. Ich hatte ja im vorhinein genug Werbung gemacht, so dass das Boot seit Wochen gut belegt war und der Eigner, nachdem seine Freundin ihn verlassen hatte, nicht allein fahren musste, die anfallenden Kosten zudem auch gedeckt waren. Für mich sind solche Freundschaftsdienste, natürlich ohne Provision, selbstverständlich und bisher wurden sie auch gern angenommen und geschätzt. Leider nicht in diesem Fall, denn aus der eigentlich sogar schriftlich vereinbarten HgK Mitsegelgelegenheit, sollte nun plötzlich eine zu bezahlende Koje werden. Das sorgte meinerseits natürlich für Unverständnis, mein Einsatz mit der Vermittlung der Gäste, war getan und vereinbart ist vereinbart! Wie sollte ich selbst als Skipperin Geld verdienen, wenn ich auf diesem Schiff war, zumal solche Aufträge meist langfristig organisiert sind. Ich merkte also recht schnell, dass es hier aufs Geld verdienen hinauslief und nicht ein angenehmes miteinander segeln erwünscht war.

Dieser Eindruck vertiefte sich dann auch, denn am zweiten Tag fernab des Festlandes schlug die Stimmung um. Der Ton wurde rauer, lauter und sogar beleidigend. Ein aufziehendes Gewitter in der Ferne wurde heruntergespielt und da ich bekennende Frührefferin bin, wurde meine Idee die Segel schon jetzt zu reffen, pro forma abgeschmettert. Auf anderen Schiffen wurden meine Mitarbeit und Erfahrungen bisher gern angenommen, so nicht dort, ich hatte eher das Gefühl, dass genau das Gegenteil getan wurde. Es wurde schnell offensichtlich, das der Eigner ein Problem damit hatte, das ich als Frau schon selbst geskippert hatte und das obwohl ich mich sehr zurückhielt, da ich das ja spürte und der Skipper schließlich der Chef ist. Doch eigentlich war vereinbart, dass ich das Schiff zukünftig, in den Zeiten wo der Eigner nicht anwesend war, sogar selbstständig als Skipperin führen sollte, bis dahin war meine Funktion an Bord Coskipperin. So war es jedenfalls vereinbart.

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Es kam wie es kommen musste, die erste Walze erwischte uns während des Essens, so dass eben dieses quer durch den Salon segelte. Der Autopilot setzte aus, so stark war die Böe und niemand war am Steuer. Dann wurde es plötzlich hektisch und der einsetzende Platzregen verbesserte die nicht mehr vorhandene Sicht nicht wirklich. Da ich nichts vorbereiten durfte, kein Polster weggeräumt waren, selbst die Handtücher noch im Cockpit hingen, vergingen wertvolle Minuten um nun doch endlich mal zu reffen, denn schon sollte die zweite Böe kommen. Die Crew hatte die Rettungswesten zum Glück selbstständig angelegt, nur der Skipper turnte, mit der Bemerkung- die Rettungsweste würde bei Regen nur auslösen, ohne am Steuer herum. Für mich war schon nach dieser Aktion klar, ich würde nicht alt auf diesem Schiff werden. Das bestätigte sich dann auch im laufe der Nacht, der Wind brieste Mitternacht wieder merklich auf und wechselte die Richtung, so das eine Wende unabdingbar war. Wir beiden Mädels hatten die Hundewache und schafften die Wende, auch dank der Elektrowinschen, ganz allein, was für mich ja sonst auch Normalität ist, denn hauptsächlich bin ich ja nur zu zweit gesegelt. Doch plötzlich schoss der Skipper ins Cockpit und brüllte herum, was wir denn tun würden, bei dem Krach könne ja niemand schlafen. Ich wunderte mich mittlerweile über nix mehr und als er dann eine Stunde später wieder wütend nach oben kam, weil wir bei 23kt. wagten zu reffen, zählte ich nur noch die Stunden das Schiff verlassen zu können. Es war zu offensichtlich, dass in diesem Fall bei zwei Skippern, einer zu viel war.

Nach 187sm und 43 Stunden liefen wir in Olbia ein, ich organisierte auch sofort online meine nächste Bleibe und verließ am nächsten Morgen das Schiff. Unzählige Nachtfahrten habe ich nun schon hinter mir, ein ungeschriebenes Gesetz ist nun mal, dass der der am Steuer sitzt auch die Entscheidungsgewalt hat, egal ob nun gerefft, gewendet oder einfach nur gesegelt wird. Zumal es bei diesem Vollautomatischen Boot nun wirklich kein Problem zu zweit war. Denn auch wenn der Skipper immer im standby ist, möchte man ihm ja gerade bei solch einfachen Manövern seinen Schlaf lassen. Ich bin froh mich nicht, wie andere Crewmitglieder vorher, verletzt zu haben und bin quasi recht glimpflich davon gekommen. Im Nachhinein war es eine gute Erfahrung, denn nicht auszudenken, wenn sich mir dieses Verhalten mitten auf dem Atlantik offenbart hätte und dafür war ja auch dieser Törn gedacht.

In Olbia bin ich nur 3 Tage geblieben, die Zimmerpreise dort sind unverschämt teuer, unter 40,-€ plus Servicegebühr ist dort nix zu bekommen. Deshalb bin ich schnellstmöglich nach Cagliari weiter gefahren um dort Plan B in Angriff zu nehmen. Dank Facebook habe ich nämlich tatsächlich noch am selben Tag das Angebot eines Charterskippers erhalten, HgK auf einer Bavaria 55, der Sea Change II, bis auf die Kanaren mitzufahren. Dort werde ich, wenn alles klappt, Ende Oktober ankommen. Leider ist er über den Atlantik ausgebucht, aber wer weiß Zwinkerndes Smiley Ansonsten habe ich ab den Kanaren schon (Plan C) ein Angebot der SY MARLIN, jahaaa ihr lest richtig, erhalten, auf dem Weg zu den Kapverden festzustellen ob ich mit ihr in die Karibik fahre. Vielleicht bin ich ja wirklich ein Sonntagskind. Und wenn doch nicht, verbringe ich den Winter eben auf den Kanaren, gibt schlimmeres…



3 Antworten auf „Erster Anlauf Atlantik“

  1. Schöner Artikel! Ich bekomme Fernweh… Lernst du vor deinen Reisen eigentlich die Sprache deiner Reiseziele? Ich überlege nach Italien runterzusegeln und an einer Sprachschule Italienisch zu lernen. Oder sagst du auf hoher See interessiert dich mehr der Weg als das Ziel? (Link gelöscht)

    1. Ich lerne meist in den Wintermonaten im Winterlager die jeweiligen Sprachen und zwar direkt von den Einheimischen. Ich möchte ja schließlich auf meinen Reisen Land und Leute kennenlernen. Das segeln ist eine sehr angenehme Möglichkeit zu reisen, aber ganz sicher ist der Weg das Ziel 🙂

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